Ob analoge oder digitale Zahnmedizin, Ästhetik oder Zahnerhaltung, Prothetik oder Parodontologie – als Polymerspezialist und digitaler Lösungsanbieter steht Kulzer für bewährte und innovative Dentallösungen. Lutz Hiller, Mitglied des Vorstandes der OEMUS MEDIA AG, sprach per Videocall mit Marc Berendes, CEO der Kulzer-Gruppe, über aktuelle Trends und Herausforderungen des Dentalmarktes, die Gründe für die Nichtteilnahme an der IDS sowie die künftige Unternehmensstrategie.
Herr Berendes, der Markt ist im Wandel, die Nachfrage nach innovativen Lösungen steigt. Welche unternehmerischen Entscheidungen sichern derzeit den wirtschaftlichen Erfolg von Kulzer?
Wir haben bereits vor einigen Jahren begonnen, die Weichen zu stellen, um Kulzer zukunftssicher zu machen. Dazu haben wir etwa Lean Management eingeführt und achten strategisch darauf, uns zu fokussieren und unsere Innovationskraft in Materialien und den digitalen Bereich zu investieren. Unsere letzten Neuprodukte Venus® Bulk Flow ONE, Venus® Diamond ONE und RetraXil® sind gute Beispiele dafür. Mit Venus® Bulk Flow ONE erfüllen wir einen klaren Kundenwunsch: das erste fließfähige einfarbige Bulk-Fill-Komposit.
Antrieb für all unsere Aktivitäten sind immer Bedürfnisse und Schmerzpunkte der Anwender. Deswegen binden wir diese schon sehr früh bei der Produktentwicklung ein, wie z. B. mit Design Thinking, bei dem wir gemeinsam mit Kunden und Meinungsbildnern innovative Ideen generieren. Das macht uns treffsicherer und schneller. In der Pandemie ist es uns gelungen, nah an unseren Kunden zu bleiben und digitale Kanäle wirksam einzusetzen. Das Engagement unserer Mitarbeitenden, Flexibilität sowie vorausschauende Entscheidungen und Aktivitäten machen uns erfolgreich.
Vor welchen Aufgaben steht die Dentalbranche?
Eine große Herausforderung ist sicher der Fachkräftemangel, ob Praxis, Labor, Handel oder Industrie. Hier geht es darum, dentale Berufsbilder bekannt und attraktiv zu machen und auch die eigene Aufstellung zu prüfen. Wie kann der Arbeitgeber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen und Sicherheit geben, aber auch: Welche Möglichkeiten habe ich als Inhaber, meine Praxis gut fortzuführen, welche Modelle gibt es auch für mich als Arbeitgeber?
Was sind aktuell die größten Herausforderungen für Kulzer?
Der Fachkräftemangel ist auch für Kulzer eine Herausforderung. Ob flexible Arbeitsmodelle, Vorsorgeprogramme oder mobiles Arbeiten – wir arbeiten stetig daran, uns als attraktiver Arbeitgeber für die Zukunft aufzustellen.
Wie in den Jahren zuvor konnten wir dank eines tollen Teams auch in den Coronajahren sehr gute Umsätze verzeichnen. Dennoch gab es Herausforderungen: Der erste Lockdown führte wie bei vielen auch bei uns zu Einbußen. Von denen konnten wir uns aber rasch erholen. Auch Rohstoffengpässe spüren wir immer wieder. Die Umstellung auf die neue Medizinprodukterichtlinie hat uns gefordert – wie wahrscheinlich jedes Medizinprodukte-Unternehmen, das im europäischen Raum aktiv ist. Teamgeist und Beharrlichkeit haben dafür gesorgt, dass Kulzer auch im Vergleich mit der Umstellung weit vorn ist.
Marc Berendes zu aktuellen Markttrends
"Mit Blick auf Lösungen und Produkte gibt es aus meiner Sicht vier Themen, die großes Potential für die Zukunft haben: künstliche Intelligenz (KI), die Bedeutung der Mundgesundheit für die Gesamtgesundheit, Nachhaltigkeit und weiterhin die Digitalisierung. Aktuell vor allem für Planung und Diagnostik relevant, bin ich überzeugt, dass KI noch sehr interessante Möglichkeiten für die Dental- und die gesamte Medizin- und Medizintechnikbranche bietet. Das wachsende Wissen der Medizin über die Bedeutung der Mundgesundheit für die Allgemeingesundheit ist unserer Branche bewusst und wird zunehmend von Patienten verstanden. Prävention und nachhaltige Behandlung von Munderkrankungen wie etwas Paradontitis werden somit noch wichtiger.
Um die Umwelt zu schonen und Klimaziele zu erreichen, ist Nachhaltigkeit längst eine Notwendigkeit. Für Kulzer und seine Mitarbeitenden ist das Thema genauso wichtig wie für unsere Kunden. Unser Mutterkonzern Mitsui Chemicals ist hier sehr aktiv und innovativ. Wir beteiligen uns an der FDI-Konsenserklärung für eine umweltfreundlichere Versorgung, erhöhen den Anteil von recyceltem Verpackungsmaterial und reduzieren dieses generell, wo es unsere Medizinprodukte zulassen. Für die Produktion unserer Edelmetall-Dentallegierungen verwenden wir recyceltes Gold oder Gold aus konfliktfreien Quellen.”
Vor Corona war die Teilnahme an Messen in der Dentalbranche traditionell eines der wichtigsten Marketinginstrumente. Nun nimmt Kulzer zum zweiten Mal in Folge nicht an der Internationalen Dental-Schau (IDS) teil. Warum haben Sie sich erneut zu diesem Schritt entschieden?
2021 war die Messe aus unserer Sicht durch die Pandemie zu unsicher für unsere Mitarbeitenden und Kunden, weshalb wir uns gegen eine Teilnahme entschieden haben. Wir haben die Pandemiejahre genutzt und verschiedene Formate ausprobiert, um den Kontakt mit unseren Kunden gut aufrechtzuerhalten – obwohl wir sie nur eingeschränkt treffen konnten. In dieser Zeit haben wir viel dazugelernt und gemerkt, dass wir mit kleinen, individuell auf unsere Kunden zugeschnittenen Formaten sehr erfolgreich sind und beide Seiten einen größeren Nutzen daraus ziehen. Darauf konzentrieren wir uns auch in diesem Jahr. Kleinere Messen und Kongresse werden in unserem Kalender bleiben. Das ist unser aktueller Weg und keine grundsätzliche Absage an die IDS, sondern eine Entscheidung in Bezug auf die Messe 2023.
Wird sich der Außenauftritt von Kulzer zugunsten digitaler Marketingstrategien ändern? Wie sieht Ihre zukünftige Ausrichtung dahingehend aus?
Wir passen unsere Kommunikationsstrategie an die wachsende Digitalisierung und Nutzung digitaler Medien an. Dies gilt für die Nutzung sozialer Medien, aber auch der digitalen Angebote klassischer Medien. Unser digitales Angebot reicht von den etablierten Tools wie Website, Newsletter oder dem internationalen Kulzer-Blog bis hin zu interaktiven Webinaren. Erst kürzlich hat das erste Venus® Bulk Flow ONE-Webinar in Deutschland über 650 Anmeldungen erreicht. Dies zeigt, dass sich die Gewohnheiten während der Coronapandemie geändert haben und Online-Trainings mehr als nur eine Ergänzung zum bestehenden Programm sind. Wir sind dabei offen für innovative Angebote und testen gerne neue Optionen. Natürlich werden wir auch in Zukunft immer noch klassische Medien für unseren Außenauftritt nutzen, jedoch deutlich gezielter als in der Vergangenheit.
Marc Berendes über die Ambitionen 2023
“Kulzer hat 1.400 Mitarbeiter weltweit, die mit Verlässlickeit und Leidenschaft unser Unternehmen voranbringen. Um die Bedürfnisse in Praxis und Labor zu erfüllen, ist Innovation elementär. Unsere Produkte entwickeln wir daher in interdisziplinären Experten-Teams und - wie schon eingangs erwähnt - binden Anwender bereits im Entwicklungsprozess ein. So stellen wir auch in Zukunft sichere und verlässliche Produkte von höchster Qualität zur Verfügung, die reproduzierbare Ergebnisse ermöglichen.
Im Sommer beziehen wir unser neues R&D Competence Center in Hanau, das unsere Forschung und Entwicklung noch näher zusammenbringt und erffizienter aufstellt. Mit der Mitsui Chemicals Group (MCI) haben wir zudem einen starken Mutterkonzern, der uns mit zusätzlicher Polymer-Kompetenz unterstützt, sodass wir Innovationen maßgeblich voranbringen können. Da Kulzer innerhalb der Gesundheitssparte von MCI eine zentrale Rolle einnimmt, sind wir bestrebt, auch weiter zu wachsen.”
Kulzer hat in den vergangenen Monaten eine hohe Medienpräsenz in dentalen Fachmedien gezeigt. Wie wird der Markenauftritt von Kulzer strategisch weiterentwickelt?
Es freut mich, wenn unsere Präsenz wahrgenommen wird und wir in den Köpfen „hängenbleiben“. Wir nutzen Online- und Printmedien stärker, um unseren Unternehmensnamen noch enger mit unseren Produktmarken zu verknüpfen. In Praxis oder Labor sind Produkte wie “Venus®”, “Flexitime®” oder“Pala®” in Benutzung – oft ohne zu wissen, dass Kulzer Hersteller dieser Produkte ist. Hier möchten wir unseren Namen als Gruppe stärker mit unseren Produkten verbinden. Das ist Teil der Strategie. Außerdem hat die Coronazeit beschleunigend und verstärkend auf die Online-Nutzung gewirkt. Digitale Angebote haben sich etabliert – ob Online-Weiterbildungen oder Online-Informationen über Social Media und Websites. Dadurch können wir einen direkten Kontakt zu unseren Endkunden aufbauen und das möchten wir nutzen. Neben den aktuellen Aktivitäten wird unser Hauptfokus auf der Individualisierung der Kommunikation liegen. Wir haben uns viel vorgenommen und ich freue mich auf dieses Jahr.
Dieser Artikel ist unter dem Originaltitel: „Die Bedeutung der Mundgesundheit für die Allgemeingesundheit wird zunehmend vom Patienten verstanden“ in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 1+2/2023 erschienen.
Unbeschwertes Lachen dank moderner Dentalprodukte
Manager Corporate Communications
Bettina Link